Die vier Räume der Veränderung
Die vier Räume der Veränderung
Warum Transformation an den Gefühlen scheitert – und wie Sie es besser machen
Stellen Sie sich vor, Sie könnten die emotionalen Achterbahnen Ihres Unternehmens verstehen. Die Momente, in denen alles läuft – und die, in denen plötzlich nichts mehr stimmt. Die Phasen der Verwirrung, die Sie am liebsten überspringen würden – und die Augenblicke der Inspiration, die Sie für immer festhalten möchten.
Es gibt eine Landkarte dafür. Sie heißt „Die vier Räume der Veränderung“ und stammt vom schwedischen Psychologen Claes Janssen.
Die vier Räume: Eine emotionale Landkarte
Raum 1: Zufriedenheit
Der Raum, den wir alle lieben
Hier läuft alles rund. Das Team harmoniert, die Projekte gelingen, die Strategie greift. Wir fühlen uns kompetent, sicher, angekommen.
Aber: Dieser Raum ist vergänglich. Keine Zufriedenheit hält ewig. Wir versuchen sie so lange wie möglich aufrecht zu halten, doch sie entgleitet uns immer wieder – und das ist völlig normal.
Die Gefahr: Je krampfhafter wir die Zufriedenheit festhalten wollen, desto schneller verlieren wir sie.
Raum 2: Selbstzensur
Der Raum des Schweigens
Hier spüren wir: Etwas stimmt nicht mehr. Aber wir sagen es nicht. Wir reden uns die Situation schön, ignorieren die Warnsignale, kehren Probleme unter den Teppich.
Es gibt zwei Arten der Selbstzensur:
- Bewusste Selbstzensur: Strategisch klug – wir wählen, wann wir sprechen
- Unbewusste Selbstzensur: Gefährlich – wir vergessen, dass wir schweigen
Das Tückische: Oft merken wir selbst nicht, dass wir in diesem Raum sind. Unser Körper schon – mit Müdigkeit, Bauchschmerzen, Gereiztheit.
Der Ausweg: Nur durch ehrliches Feedback und Selbsterkenntnis gelangen wir in den nächsten Raum.
Raum 3: Verwirrung
Der Raum, den wir am liebsten überspringen würden
Hier bricht die Realität ein. Wir können nicht mehr leugnen, dass etwas nicht stimmt. Alte Gewissheiten bröckeln, Lösungen greifen nicht mehr, wir wissen nicht weiter.
Das Paradox: Dieser scheinbar schlimmste Raum birgt die größte Kraft.
Wir müssen zum „Point Zero“ – dem absoluten Tiefpunkt. Hier verstehen wir in der Tiefe: Es gibt kein zurück. Es ist eine Art „Kapitulation“, die aber auch als „Hingabe“ bezeichnet werden kann. Man will dann einfach weitergehen.
Die Erkenntnis: Manchmal müssen wir erst alles loslassen, um etwas Neues greifen zu können.
Raum 4: Inspiration
Der Raum der Möglichkeiten
Nach dem Durchschreiten der Verwirrung, nach einer mutigen Entscheidung, öffnet sich plötzlich der Horizont. Ideen sprudeln, Energie kehrt zurück, Visionen entstehen.
Aber Achtung: Inspiration ist nicht das Ziel – sie ist der Samen für eine neue Zufriedenheit.
Die Herausforderung: Von der Inspiration zur Umsetzung zu kommen. Dafür braucht es Mut und realistische Entscheidungen. Wir sollten nur säen, was wir hinterher auch ernten können.
Der Kreislauf schließt sich
Von der Inspiration ernten wir neue Zufriedenheit. Bis sie uns wieder entgleitet. Und die Reise durch die vier Räume beginnt von neuem.
Das ist das Leben. Das ist Entwicklung. Das ist der Tanz der Veränderung.
Praktische Erkenntnisse für Ihr Unternehmen
1. Jeder Raum hat seine Berechtigung
- Zufriedenheit motiviert und stabilisiert
- Selbstzensur schützt vor übereilten Entscheidungen
- Verwirrung öffnet für neues Lernen
- Inspiration schafft Visionen für die Zukunft
2. Sie können Räume nicht überspringen
Teams müssen durch alle vier Räume gehen. Versuche, die „unangenehmen“ Räume zu umgehen, verlängern nur den Prozess.
3. Menschen sind in verschiedenen Räumen
In Ihrem Team ist gleichzeitig jemand zufrieden, jemand verwirrt, jemand inspiriert. Das ist normal und sogar hilfreich – wenn Sie es verstehen.
4. Das „hohe Gebäude“
Wir alle haben verschiedene Lebensbereiche (Familie, Team, Unternehmen, persönliche Entwicklung). In jedem können wir in einem anderen Raum sein. Die Kunst liegt darin, die Dynamiken nicht zu vermischen.
Was Sie als Führungskraft tun können
In der Zufriedenheit:
- Genießen Sie sie, aber rechnen Sie nicht mit Dauer
- Bereiten Sie sich mental auf Veränderungen vor
- Entwickeln Sie „Enttäuschungskompetenz“
In der Selbstzensur:
- Achten Sie auf körperliche Signale bei sich und anderen
- Schaffen Sie sichere Räume für schwierige Wahrheiten
- Praktizieren Sie „Regulationskompetenz“ – innere Arbeit im Umgang mit äußeren Reizen
In der Verwirrung:
- Sehen Sie Verwirrung als Zeichen von Wachstum
- Gehen Sie bewusst zum Point Zero
- Entwickeln Sie „Unsicherheitstoleranz“ und „Inkompetenzkompensationskompetenz“
- Treffen Sie experimentelle Entscheidungen statt perfekte
In der Inspiration:
- Wählen Sie bewusst aus der Fülle der Möglichkeiten
- Unterscheiden Sie zwischen Träumen und umsetzbaren Zielen
- Üben Sie „Unsicherheitsabsorption“ – geben Sie Orientierung, auch wenn Sie selbst nicht alles wissen
Die Einladung
Die vier Räume der Veränderung sind keine Theorie – sie sind eine Praxis-Landkarte. Eine Landkarte für das, was Sie alle täglich erleben: den permanenten Wandel des Arbeitslebens.
Nutzen Sie sie. Teilen Sie sie. Leben Sie sie.
Denn die Frage ist nicht, ob Sie durch die Räume gehen – sondern wie bewusst Sie es tun.
Willkommen in der Kunst, die emotionalen Zyklen der Veränderung als Kraftquelle zu nutzen statt als Hindernis zu bekämpfen.